Endlich! Endlich! Auf solch einen Musik-Gärtner und seinen weit verästelten Album-Baum haben wir alle gewartet. Zumindest wenn wir die leidenschaftlichen Indie-Folk-Rock-Pop-Elaborate der großartigen FLEET FOXES und MUMFORD & SONS sowie ganz besonders der (leider viel zu unterbewerteten) THE SLOW SHOW lieben. Genau inmitten dieses grandiosen Triumvirats pflanzen die Schweizer THE GARDENER & THE TREE mit „69591, Laxå“ ihr ungewöhnliches Musik-Bäumchen, das die schönsten, schmackhaftesten Früchte trägt, voller kunterbunter Melodien, sich steigernden Stimmungen sowie breit instrumentierten Songs und einem Sänger, der seine Stimmbänder zwischen TOM WAITS und PEARL JAMs EDDIE VEDDER oder JOSHUA KADISON und MARC COHN poliert hat.

Selten erlebt man nach gerade mal zwei EP‘s ein Debüt-Album, das auf einem dermaßen hohen Niveau angelegt ist und sich beim Hören durch einerseits die Stimme und andererseits die sich hymnisch erhebenden Melodien sofort in den Gehörgängen und durch die Texte, selbst wenn sie sich ausschließlich um zwischenmenschliche Beziehungen drehen, noch dazu im Hirn festsetzen. Jeder Song auf „69591, Laxå“ erzählt seine eigene (Liebes-)Geschichte, die ihre ganz eigene Atmosphäre ähnlich wie das Motiv auf dem LP-Cover und dem riesigen Poster (8 LP-Seiten groß) in dessem Inneren verbreitet: ein Wald, ein See, ein Boot darauf, das sich im lichtenden Nebel auf eine Insel zubewegt – einsam, verlassen, geheimnisvoll, natürlich und friedlich … oder doch von Gefahren umwittert?

Und dann gibt es da tatsächlich noch einen Titel, der den schönen Namen „Postcards“ trägt, mit einem Schlag bei Spotify über eine Million Klicks einheimste und Erinnerungen an eine Postkarte aus Los Angeles weckt, die allerdings von JOSHUA KADISON besungen wurde und riesige Erfolge einheimste. Auch „Postcard“ von THE GARDENER & THE TREE hat genau diese Aufmerksamkeit verdient, wie die eines Kadison – und sollte nicht nur in der Schweiz in den Radiostationen rauf und runter laufen. Folk-Pop mit solchem Anspruch – vielleicht noch immer zu hoch für Mainstream-Formate, aber Radio Eins sollten sich nach solch einem Titel jeden einzelnen Musik-Finger ablecken.

Doch nicht nur „Postcards“, im Grunde hat eigentlich jeder Song auf „69591, Laxå“ das Zeug zum Hit der anderen, eben besonderen Indie-Folk-Art.
Alles auf „69591, Laxå“ klingt wie ein – um bei einem Titel des Albums zu bleiben – einziges Geheimnis. Gerade „Secret“ scheint diesbezüglich auch für die Band eine spezielle Schlüsselrolle zu spielen, denn zu diesem Song gibt es eine Video-Trilogie, die einem neben der Musik auch in drei Kurz-Filmen die tiefe Wirkung des Songs vermittelt. In jedem Film („Secret 1“ / „Secret 2“ / „Secret 3“) spielt dabei ein „anderes Geheimnis“ eine Rolle: „I got a secret, and I‘m gonna keep it / I‘m not gonna share, with someone who cares / Yeah I don‘t mind, if I lose myself / Into the night, like I did / A thousand times / Before.“

Dieses geheimnisvolle Album klingt atmosphärisch wie aus einem Guss, ein Wasserfall zugleich, der einen mit sich reißt und am Ende wieder im seichten Gewässer davontreiben lässt, wie das Boot in Richtung mystische Insel, auf dem bereits der „Meantime Lover“ in seiner ganzen Schönheit wartet: „I can hear these voices on the open field.“

Wir hören bei THE GARDENER & THE TREE nicht nur Stimmen, sondern wundervolle Musik, die den MUMFORD & SONS wieder das Leben einbläst, welches die Jungs nach ihrem grandiosen Debüt und den immer schwächer werdenden Nachfolgealben verloren ging. Hauptsache dem Schweizer Quintett, das aus Schaffhausen kommt, unterläuft nicht ein ähnlicher Fehler wie ihren Londoner Indie-Folk-Brüdern im Geiste. Denn an ein so starkes Debüt wie „69591, Laxå“ anzuknüpfen und ein ähnlich starkes Album folgen zu lassen, fällt garantiert nicht leicht.
Warten wir‘s ab – und treiben wir voller Hoffnung erst einmal mit dem Boot von THE GARDENER & THE TREE ihrer Insel der musikalischen Glückseligkeit entgegen.

FAZIT: Das Schweizer Quintett THE GARDENER & THE TREE gelingt mit „69591, Laxå“ ein beeindruckendes Indie-Folk-Debüt-Album, das sich musikalisch wie gesanglich und textlich neben den FLEET FOXES und MUMFORD & SONS sowie THE SLOW SHOW gleich in der vordersten Reihe leidenschaftlich agierender Folk-Bands mit Ausnahmestatus einordnet. Noch dazu enthält die LP-Ausgabe neben der DL-Card ein riesiges Poster, das die geheimnisvolle, verträumte Stimmung von Cover und Musik zusätzlich untermalt und eine mit allen Texten versehene Innenhülle. Hoffentlich gelingt es den Schweizern auch auf dem Nachfolger von „69591, Laxå“ die Qualität dieser schon sehr hoch gelegten Indie-Folk-Latte zu halten.